Donnerstag, 27. Februar 2014

Pharrell Williams - G I R L (2014)

7/10

Manche Menschen werden zu Popstars, weil sie neben einer erträglichen Stimme extrem gutes Aussehen in die Waagschale werfen können. Andere sehen aus wie ein Mettigel, haben dafür allerdings die Stimme eines Engels. Und wieder andere sind eigentlich ziemliche Durchschnittstypen, haben dafür aber ein unglaubliches Gespür für den Geschmack der Massen. Der Musiker, auf den diese Beschreibung in den zurückliegenden Jahren wohl am besten passt, ist Pharrell Williams. Ein Mann, der schon zu Beginn der letzten Dekade für alle möglichen Popsternchen Hitsingles produziert und mit seinem Sound maßgeblich die Popmusik der 00er-Jahre geprägt hat. ("Drop it like it's hot", "Beautiful", "I'm a slave 4 U", die Liste ist lang.)

Pharrells Ruhm beschränkte sich bis auf einige Ausnahmen jedoch meist auf seine Tätigkeit hinter den Reglern. Erst im letzten Jahr gelang dem Sänger Williams so etwas wie ein Comeback als Popidol: Das übermächtige "Get lucky", welches er für Daft Punk einsang und ein Feature in Robin Thickes kontroverser Hüpfnummer "Blurred lines" machten den ehemaligen N*E*R*D zur bestimmenden Figur bei Preisverleihungen und Jahresendabrechnungen jeglicher Art. Auch 2014 beginnt erfolgreich für den Musiker: Mit "Happy", einer mollig-funkigen Schunkelnummer hat er schon wieder einen Superhit. Es scheint, als würde da jemand einen Thron besteigen wollen.

Einen Thron? Aber sicher. Der König ist tot, der Prinz im Altersheim. Der Neffe Pharrell ist bereit, die Thronfolge anzutreten. Die Musik zur Krönungszeremonie hat er praktischerweise selbst komponiert und auf sein neuestes Album "G I R L" gepackt. "G I R L" ist - wie der Titel schon vermuten lässt - ähnlich tiefschürfend und problemorientiert wie "Saturday Night Fever", aber mal ehrlich: Wen interessierts? Es muss auch Tanzmusik geben, und wenn sie derart funky und furztrocken daherkommt wie bei Pharrell, dann darf es gerne auch monothematisch zugehen. Zudem hat Williams ja immer noch genug Zeit, sich in seinem Alterswerk an den Problemen dieser Welt abzuarbeiten. Jetzt ist keine Zeit für sowas, der Arsch muss bewegt werden, solange er noch bewegt werden kann.

"G I R L" kombiniert klassische Funk-Grooves mit souligen Streicherparts und einer unglaublichen Eingängigkeit. Musik zum Mitschnippen und Mitwippen. Soundtechnisch aufs Nötigste reduziert steht der Rhythmus im Mittelpunkt der Kompositionen. So puristisch klang Mainstreammusik schon lange nicht mehr. Gesanglich zeigt sich Williams deutlich gereift. Egal ob eunuchales Falsett oder an Marvin Gaye erinnerndes Croonertum - er kann es. Ebenso beherrscht derzeit kein Zweiter so meisterhaft die Verbindung aus eigentlich ziemlich unverkäuflichen Akkordfolgen und dennoch unwiderstehlichen Melodieführungen, was besonders die jazzigen Balladen gegen Ende des Albums zeigen. Zudem ist die Platte wunderbar produziert. Kein Kompressoren-Overkill, kein Soundmatsch.

Wer nun bei einem Blick auf einige der Features (Miley Cyrus, Justin Timberlake) skeptisch die Augenbrauen hebt, sei beruhigt: Beide fügen sich nahtlos in den lässigen Flow des Albums ein und sind bei weitem nicht so penetrant wie als Solokünstler. Gerade Uns-Miley hat ja eigentlich 'ne tolle Stimme, selbst mit Klamotten an. So ist ihr Auftritt in der bumpernden Beischlafklamotte "Come get it bae" weder störend noch übermäßig doof. Apropos doof: Hier verdient sich "Lost queen" eine besondere Erwähnung. Das Lied vereint einen Beat, der aus dem König der Löwen-Soundtrack stammen könnte, mit einer infantilen Melodie und einem stumpf auftrumpfenden Text zu einem absoluten Ohrwurm. Muss man gehört haben.

In Anbetracht des wie immer recht desolaten Zustandes der Massenmusik ist Pharrell so etwas wie der Zauberer im aus den Orkgetümmel ragenden Turm. Ein Mann, der um seine Qualitäten weiß und sein Potential endlich voll ausschöpft. Er macht Musik für den Augenblick, und vielleicht auch Musik zum Vergessen. Und das ist ein Kompliment.

"G I R L" erscheint am 3. März 2014 bei Sony Music.

Donnerstag, 6. Februar 2014

Top 100, 16: Pink Floyd - The dark side of the moon (1973)


So, jetzt haben wir den Salat. Jetzt ist der Moment gekommen, an dem ich tatsächlich etwas über "Dark side of the moon" schreiben muss. Als ob das angesichts der stets bemühten (hier bitte böse gemeinte Assoziationen mit Grundschulzeugnissen einfügen) Superlative, die Geschreibsel zu diesem Meisterwerk begleiten, wirklich noch sein müsste.

Die allererste Frage muss daher lauten: Ist es denn wirklich so gut wie sein Ruf? Oder hat sich da nicht vielmehr ein Gutfindungszwang in den Köpfen manifestiert? Es war ca. 1000 Wochen in den Charts. Es verkaufte sich schneller als sein Mondschatten. Sogar Omma kennt das ikonische Cover mit dem Prisma. Daher könnte ich es jetzt eigentlich schon sein lassen. Wirklich neue Erkenntnisse werde ich dem Textnirwana sicherlich nicht beimengen können. Einigen wir uns also fürs erste darauf, dass "Dark side of the moon" ein kleines bisschen zu wichtig genommen wird und gleichzeitig ein fantastisches Album ist.

Wer doch mehr wissen möchte, möge weiterlesen:

Das, was ich am innigsten an der Platte liebe, ist ihr Flow. Nach dem träumerischen Introsong "Breathe" geht es nahtlos in das rastlose "On the run" über. Von rechts nach links wabert der Moog vorbei, während das Hihat stoisch den Puls vorgibt. Normalerweise finde ich es wenig erbaulich, wenn Bands ihre Alben mit einer dahingehauchten Balladenskizze und minutenlangem Synthiegeblubber eröffnen. Hier funktioniert es jedoch ganz hervorragend - weil man weiß, dass das Vorgeplänkel nötig ist, um die darauf folgenden Songs ins rechte Licht zu rücken.

Das Gebimmel, das "Time" eröffnet, schreckt auf. Schluss mit Geschwurbel, die Uhr tickt. Schon wieder ein Intro, diesmal jedoch eines, das kein Weghören duldet. Die typische Pink Floyd-Gitarre badet im Echo, ehe urplötzlich die ganze Band einsteigt. Was folgt, ist der Rest des Albums.

Moment mal, was?

Ich habe lange überlegt, wie ich die Emotionen, die ich von "Time" bis "Eclipse" durchlebe, wenn ich das Album höre, beschreiben soll. Ich sehe den "Rest des Albums" als Einheit. Als einen einzigen, gigantischen Song, in dem Motive angedeutet, weitergedacht, wiederaufgenommen und kunstvoll vollendet werden. Ein Song, der während "The great gig in the sky" orgiastische Höhen erklimmt, um sich kurz darauf in dem zynisch-abgezockten Groove von "Money" zu suhlen.

Die finale Mini-Suite aus "Us and them", "Any colour you like", "Brain damage" und eben "Eclipse" bläst - die richtigen Werkzeuge vorausgesetzt - auch heute noch aus den Latschen. Nicht obwohl, sondern weil sie viel zu dick auftragen. Während jedoch andere "progressive" Bands jener Zeit sich völlig ins Abseits dudelten, behalten Pink Floyd den Fokus. Viele Spuren? Genehmigt. Alle Effekte dieser Welt auf der Gitarre? Gerne. Die Marmeladenseite muss aber oben bleiben. Immer.

Zudem ist es jener immer wieder aufblitzende Humor, der bei Laune hält. Besonders augenfällig ist hier natürlich "Brain damage" mit den herrlichen Zeilen: "The lunatic is on the grass / the lunatic is on the grass / Remembering games and daisy chains and laughs / Got to keep the loonies on the path." Spießbürgertum, Ichkrise und Weltraummelodie in einem Stück,

Der Rest vom Rest ist Glorie und Elysium. Zum Himmel damit!

Schnellcheck #2: Kraut und quer

Da ich ja mittlerweile auch für www.plattentests.de schreibe, werde ich noch viel mehr mit neuer Musik beworfen, als es ohnehin schon der Fall war. Dass ich meine dort veröffentlichten Rezensionen nicht hier posten werde, ist eine Selbstverständlichkeit. Da ich aber nicht zu jeder gehörten Platte einen Artikel verfassen werde, bietet es sich an, in diesem Blog ein wenig über Musik zu sprechen, die meist speziell und nicht selten ziemlich verrückt ist. Diese Folge des Schnellchecks enthält daher einige Alben, die ich nicht uneingeschränkt empfehlen würde - einen gewissen Unterhaltungswert kann ich ihnen allerdings nicht absprechen.

Afroman - Marijuana music (2/10)
HipHop, Reggae, Kiffermusik

Vor vielen Jahren beglückte uns der Mann mit der fiesen Frise mit einem Lied, das schon jetzt ein Pflichtbestandteil jeder Trashsammlung der 00er-Jahre ist. Ja, ich meine "Because I got high", ein Lied, das so dumm ist wie diese Welt. Der Afroman hat seitdem weiterhin konstant Platten veröffentlicht, wobei deren Qualität eher im Urlaub war. Sein neues Werk "Marijuana music" setzt die Serie von Müllalben nahtlos fort. Hingeschluderte Beats, sich endlos wiederholende Strophen und Texte, die selbst HP Baxxter die Schamesröte ins Gesicht treiben würden. Braucht keiner.


Connect_Icut - Crows & kittiwakes wheel & come again (5/10)
Ambient, Minimalismus, Noise

Was für ein Titel! Wer ein Album so benennt, muss gut sein - zumindest dachte ich das, bevor ich die CD zum ersten Mal gehört hatte. "Crows..." enhält einige überlange Tracks, die größtenteils aus Fiepen, Surren und Rauschen bestehen. Nun bin ich an sich experimenteller Musik nicht abgeneigt, wenn jedoch überhaupt keine Ideen außer "Lass mal Geräusche machen" vorhanden sind, kann auch ich wenig mit der Musik anfangen. Wobei man Connect_Icut zugestehen muss, dass der Opener "Imperial alabaster" ziemlich geiler Scheiß ist.


Postures - dto. (6/10)
Progressive Rock, Post Rock

Wenn ihr euch schon immer mal gefragt habt, wie The Mars Volta mit einer Sängerin klingen würden, kann ich euch diese Band nur wärmstens ans Herz legen. Postures orientieren sich so stark an ihren Vorbildern, dass viele Songs beinahe wie Coverversionen straighterer Mars Volta-Momente anmuten. Das ist zwar nicht sehr eigenständig, aber stellenweise doch überzeugend geraten. Vor allem die härteren Stücke ("Solipse") sind schön anzuhören. Leider ist die Musik auf Albumlänge aber doch ein wenig zu zahm geraten, als dass die Band wirklich die Nachfolge von Cedric und Omar antreten könnte.


Baskery - Little wild life (6/10)
Indiepop, Folk, Country

Drei Schwestern machen Indiepop. Nein, ich spreche nicht von Haim, jener unsäglichen Dudelfamilie, die aus unersichtlichen Gründen von einem Großteil der Musikpresse zu den Retterinnen der leichten Muse erklärt wurde. Die drei Schwedinnen, die sich Baskery nennen, machen unaufdringliche und abwechslungsreiche Popmusik, die stark von Folk und Country beeinflusst ist. Ein bisschen seicht, aber sicher nicht unsympathisch. Gerade die Harmoniegesänge der Damen sind aller Ehren wert.


Peter Walker - Has anybody seen our freedoms? (4/10)
Singer-Songwriter

Stellt euch vor, ihr hieltet eine Gitarre in euren Händen. Diese Gitarre ist aber kein handelsübliches Exemplar, sondern beseelt und lebendig. Fast wie von selbst entfleuchen ihr Melodiefetzen und taktfernes Geschrammel. Nun stellt euch vor, ihr müsstet gleichzeitig in einem monotonen Sprechsingsang kryptische Texte in ein Mikrophon singsangsprechen. Songstrukturen? Macht die Klampfe. Zumindest glaubt sie das. Sehr komisch, würde Alfred J. Kwak wohl sagen. Ich sage: Hippiekacke.


Sophie Ellis-Bextor - Wanderlust (6/10)
Pop

Ihr habt drei Sekunden Zeit, um einen Song von Sophie Ellis-Bextor zu nennen. 3, 2, 1... Na, was war's? Falls ihr nicht an "Murder on the dancefloor" gedacht haben solltet: Respekt. Dass Frau Ellis-Bextor immer noch Musik macht, ist ob der relativen Erfolglosigkeit ihrer letzten Alben keine Selbstverständlichkeit. Dass ihr neuestes Werk "Wanderlust" gar nicht mal so schlecht geraten ist, noch viel weniger. Natürlich sind ihre Lieder noch immer radiotauglich und eingängig, so richtig eklig sind sie aber auch nicht. Vielmehr macht Sophie nun elegante Popmusik mit viel Streichereinsatz und Band.