Montag, 30. Dezember 2013

Angehört 2013: Alben

Endlich, endlich. Das Jahr dauert weniger als 48 Stunden und die Böller liegen bereit. Ich habe die besinnliche Zeit dazu genutzt, noch einmal in mich zu gehen und meine zehn Lieblingsalben des zurückliegenden Jahres auszuwählen. Die eine oder andere Überraschung werdet ihr garantiert finden. 

Grouper - The man who died in his boat
Auf "The man who died in his boat" passiert nicht viel. Ein wenig verhuscht-verhalltes Geschrammel, ganz viel Delay und eine Stimme, die sich dem Hörer entzieht, so weit weg scheint sie zu erklingen. Dazu rauscht und knackst es deutlich hörbar, wenn Liz Harris das Tonband ein- und ausschaltet. Nichts für HiFi-Fetischisten also, aber genau die richtige Musik für mich. Flüsterpost für Zweifler, Flaschenpost für Ertrinkende.
Kanye West - Yeezus
Der "Hooked on a feeling"-Gedächtnispreis des Jahres 2013 geht an Kanye West, der mit dem unfassbar bescheuerten Video zu "Bound 2" ein würdiger Fackelträger in der langen Kette von Unglücksfällen, deren erstes Glied "The Hoff" war, geworden ist. Über das Album "Yeezus" habe ich mich hier schon sehr ausführlich geäußert - und meine Meinung hat sich nicht verändert: Die Platte hat das Zeug zum Klassiker. Unbestreitbar größenwahnsinnig ist dieser Mann, aber auch unbestreitbar großartig.


M.I.A. - Matangi
"There's only one U (u u u u), ring-ding, ring-ding ding ding ding GONG." So oder so ähnlich ließe sich eine der einprägsamsten Stellen auf "Matangi" wiedergeben. Dada? Ja. Gaga? Gottseidank nicht. M.I.A. mag sich bisweilen im Ton vergreifen, im Großen und Ganzen weiß sie aber, wie man Nägel in die Wand hämmert. Humorvoll, sprachgewitzt und nervenaufreibend geht sie zu Werke, nur langweilig wird es nie mit ihr.

Organoid - Inner vacuum
Referenzen für Fortgeschrittene: Wer Wisp mag, wird Organoid lieben! Oleg Marchenko vereint melodischen Ambient, zurückhaltende IDM-Einflüsse und die zugänglicheren Momente eines Aphex Twin zu ebenso schöner wie phantasievoller Musik. Schwebende Klangflächen, ein wenig Glitch und ganz viel Moll. Geräusch, das Schatten wirft.
Sigur Rós - Kveikur
Mit einem gelungenen neuen Werk der Isländer hatte niemand so wirklich gerechnet. Zu bräsig waren die letzten Alben gewesen. "Kveikur" hauchte glücklicherweise dem Sound der Band neues Leben ein. Ein Album voller Lieblingslieder und weltumgreifender Melodien. Anders formuliert: Endlich machen sie wieder die Musik, für die man sie einst innig geliebt hatte.
Atlantean Kodex - The white goddess
Mit Metal kann ich an sich eher wenig anfangen, wenn überhaupt, dann höre ich schrägen Lärm und nichts aus dem True-, bzw. Epic-Genre. Das Zweitwerk der bayerischen Band Atlantean Kodex hat mich jedoch ziemlich heftig erwischt. Großformatige Songs mit Hooks, die nach singenden Stadien schreien. Und im Gegensatz zu anderen Genrevertretern gibts hier Texte mit Sinn und Verstand. Meine persönliche Überraschung des Jahres 2013.
hecq - horror vacui
Dass ich nicht nur Rock und Pop gut finde, ist ja bekannt. Dieses Album hier ist wohl das "undergroundigste", was es in meine Jahresendauflistung geschafft hat. Düstere Elektronik, die gekonnt totgehörte Strukturen und Tonalitäten dekonstruiert. Ein Beweis dafür, dass man sehr wohl Rauschen als Melodieinstrument einsetzen kann und ein Lichtstreif am Horizont der elektronischen Musik. Sound and vision, 2013.
Motörhead - Aftershock
Lemmy lebt immer noch, auch wenn die Zeichen der Zeit langsam aber sicher auf ein Ende der Ära Kilmister hindeuten. Solange Englands Frontwarze jedoch halbwegs aufrecht saufen kann, wird es auch neue Motörhead-Alben geben. Und die Frage nach der Qualität stellt sich bei einem neuen Motörhead-Album ohnehin nicht. Es sind Lieder drauf, mit geilen Riffs, hymnischen Refrains und Gitarrensoli. Mehr muss nicht sein, wofür auch.
Deafheaven - Sunbather
Ich gebe ganz ehrlich zu, dass ich erst durch die Jahreslisten von Pitchfork und Sputnikmusic auf dieses wunderbare Album aufmerksam geworden bin. Postrock mit Black Metal-Gesang und Blastbeats bekommt man auf "Sunbather" geboten, und wer ob einer solch merkwürdig anmutenden Mixtur die Augenbrauen hebt, wird sein blaues Wunder erleben, wenn er sich auf die Musik einlässt. Umwerfender Krach mit teils unfassbar majestätischen Momenten.

Ssio - BB.U.M.SS.N.
Auf inhaltlicher Ebene bietet der Bonner Rapper Ssio Hausmannskost: "Ficken und ticken und kiffen" lautet das Motto, und beinahe jedes Lied auf dem sensationell erfolgreichen "BB.U.M.SS.N." handelt von mindestens einem der drei Kernbegriffe dieses tiefsinnigen Triptychons. Ein weiterer Pseudogangster auf Pennälerniveau zum Vergessen also? Nicht ganz. Ssios abgehackt-melodiöser Style mag nicht der virtuoseste sein, zu den herrlich oldschooligen Beats passt er aber ganz hervorragend. Das Album erinnert stark an den Westcoast-HipHop der mittleren Neunziger, was angesichts des immer noch grassierenden Electrohypes eine akustische Wohltat ist. Hirn in den Standbymodus, rein in den Benz! Prekariat war gestern, "Big King XXL" ist heute.

Freitag, 13. Dezember 2013

Angehört 2013: Angst und Schrecken

Bevor wir zu den Alben des Jahres kommen, möchte ich die Gelegenheit nutzen, ein wenig Hass und Häme loszuwerden. Dass es tonnenweise schlechte Musik gibt, ist ja per se nicht einmal so schlimm - man muss das Elend ja nicht hören. In manchen Situationen (z.B. beim Aufenthalt in Kaufhäusern oder Schankstätten) kann man ihm allerdings nicht entfliehen. Es folgen nun in loser Zusammenstellung einige musikalische Totalschäden der zurückliegenden zwölf Monate.

Adel Tawil - Lieder

Eine der besten Artikelüberschriften des Jahres stammt von laut.de. Adel Tawils neuestes Werk wurde dort mit der schönen Zeile "Adel vernichtet" betitelt. Treffender kann man es kaum formulieren. Ich möchte jetzt gar nicht groß über das Album sprechen, da ich dieses Schandwerk ohnehin nur ein einziges Mal beim Staubsaugen gehört habe. Mir geht es um das Lied namens "Lieder". In diesem Song erzählt der Adel nämlich total clever und anspielungsreich, wie viel ihm Musik doch bedeutet. Dabei nimmt er Verse bekannter Songs auf und metzgert sie so lange, bis nichts außer Sülze übrigbleibt. Schon Adels Ruhmesgrund Ich & Ich stellte für mich so etwas wie die Essenz der neuen deutschen Rührseligkeit dar. Schlager für Leute, die natürlich niemals Schlager hören würden.

Will.i.am feat. Justin Bieber - #thatPOWER

Willi wills wissen. Deswegen hat er sich von seinen Moneten ein großes Tonstudio gekauft, um seine visionären Ideen verwirklichen zu können. Dass Willi einen veritablen Hörschaden hat, weiß er leider nicht. Leider sagt das auch niemand dem Willi, denn das hätte zur Folge, dass dieser aufhören würde, andere Leute zu Kollaborationen aufzufordern und sie so zu den Geldtöpfen zu führen. Pecunia non olet, sagte der Römer - und auch wenn ihn heute keiner mehr so wirklich versteht, hat er immer noch Recht. Den Willi schert das indes herzlich wenig. Er versieht seine Meisterwerke mit Hashtags und passt die Musik seinem tiefergelegten Verstand an. Schlimm ist das, aber auch irgendwo notwendig, denn der Willi wäre ohne die Welt um einiges ärmer.

Do the Harlem shake

Internetmemes kommen und gehen. Nerven tun sie immer recht schnell, manchmal sind sie aber durchaus witzig. Den "Harlem shake" finde ich nicht witzig, zumindest nicht in so einem Maße, dass er mich dazu motivieren würde, ein total lustiges Video mit meinen Arbeitskollegen / Mitbewohnern / Zellengenossen aufzunehmen und dieses anschließend ins Internet zu stellen. Aber "es ist ja auch voll crazy, wenn man mal was Verrücktes macht" (Zitat einer mir bekannten Person). Also ehrlich, wenn ich was Verrücktes machen will, dann sicher nicht mit so einer Scheißmusik im Hintergrund. Da gehe ich lieber auf ein Jürgen Drews-Konzert.


Sportfreunde Stiller - Applaus, Applaus

Es ist so vieles falsch an dieser Band. Der schräge Gesang. Die zwischen Idiotie und Anbiederung schwankenden Texte. Das Überhöhen von Befindlichkeiten zu einem Lebensgefühl. Mit einer Fusselbürste gehörten sie sich verhauen, diese vierzigjährigen Rotzlöffel. Auf dass sie eines Tages doch noch einsehen mögen, dass das mit der Musik vielleicht doch keine so gute Idee war. Aber mei, was will man machen. Sind ja auch so natürlich geblieben, die Sportfreunde. 

Miley Cyrus - Wrecking ball

Hört man ausschließlich auf die Musik, ist "Wrecking ball" gar nicht mal so grässlich. Bei dem Song handelt es sich um eine klassische Popballade mit ausladendem Refrain und leichten Electro-Anleihen. Stangenware also. Aber leider gibt es zu "Wrecking ball" auch ein Video. In dem Kurzfilm reitet uns-Miley auf der Abrissbirne und macht ganz unartige Dinge mit einem Vorschlaghammer. Zumindest war es warm auf der Baustelle, denn Madame Cyrus verbringt einen Großteil des Videos spärlich oder nicht bekleidet. Ich vermute, dass dies Verletzlichkeit und Erotik suggerieren soll, leider verfügt Miley nicht über die nötige Laszivität, um das Ganze würdevoll über die Bühne zu bringen.

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Angehört 2013: Songs

Zehn Lieder, die mich über dieses Jahr hinaus begleiten werden. Die Reihenfolge entspricht keinem Ranking. Falls ihr mehr obskuren Indiekram erwartet habt, muss ich euch leider enttäuschen. Der taucht dann bei den Alben auf.

Lorde - Royals
Wenn das neuseeländische Wunderkind nicht gerade Videoplattformen zum Absturz bringt, macht sie ganz hervorragende Popmusik. Lordes zweite Single "Royals" besitzt nicht nur einen zeitgenössisch minimalistischen Beat, sondern auch einen der schönsten Refrains der jüngeren Vergangenheit. Auf Albumlänge erschöpft sich ihr Stil relativ schnell, was diesem Kleinod hier aber nicht im geringsten schadet. Man möchte die Welt umarmen, wenn der Engelschor "roooyaaaals" singt.


Amplifier - Where the river goes
Um die Zeit bis zum nächsten "richtigen" Amplifier-Album zu überbrücken, erschien dieses Jahr "Echo street", welches größtenteils Neueinspielungen älterer Songs enthielt. "Where the river goes" ist mein persönlicher Favorit der Platte. Das Lied beginnt als zurückhaltende Ballade und endet als Amplifier-typisches Klanggebirge - ein Verlaufsschema, das man bei vielen Songs der Briten vorfindet. Da ich aber erklärter Fanboy der Band bin, verzeihe ich ihnen den mangelnden Innovationswillen und freue mich stattdessen über eine weitere Hymne für Spaziergänge durch Landschaften beeindruckender Natur.


Sigur Rós - Brennisteinn
"Valtari" war ziemlich langweiliger Murks. Kitschige Elfenmusik kann meinetwegen Enya machen, von Sigur Rós erwarte ich dann doch ein wenig mehr. 2013 kann glücklicherweise als das Jahr verbucht werden, in dem die zum Trio geschrumpfte Band noch einmal die Kurve gekriegt hat. Der erste Track des Quasi-Comebacks "Kveikur" ist hierbei besonders beeindruckend geraten. Tonnenschwer dröhnt der verzerrte Bass, das Schlagzeug scheppert wie in alten Zeiten. Und Jónsis Stimme hat, das richtige Arrangement vorausgesetzt, nichts von ihrem Reiz verloren. Ein spektakulärer Song.


Paul McCartney - On my way to work
Dass "Macca" noch einmal ein passables Album aufnehmen würde, hätten wohl selbst die optimistischsten Musikhörer nicht mehr für möglich gehalten. Dank der Hilfe einiger namhafter Produzenten und vieler wirklich toller Songs zählt McCartneys Album "New" aber zu den positiven Überraschungen von 2013. Ein Händchen für Ohrwürmer hatte der Paul ja schon immer, jedoch übertrieb er es allzu oft mit der Catchyness seiner Schlager. "On my way to work" macht hingegen alles richtig. Ein klassischer Popsong mit einer fiesen Sitarmelodie nach dem Chorus und dem für McCartney typischen augenzwinkernden Humor.

Kanye West - Hold my liquor
Was den Medienrummel angeht, war "Yeezus" sicherlich eines der meistdiskutierten Alben dieses Jahres. Der Megalomaniac Kanye ließ es aber auch derbe krachen. Einer der wenigen ruhigen Songs auf "Yeezus" ist "Hold my liquor", ein Lied, das einem die Schuhe auszieht, so unerwartet und intensiv kommt es daher. West erzählt von Abstürzen und dem Weitermachen, während ringsum die Gitarren jaulen. HipHop ist das schon lange nicht mehr. 


Daft Punk - Giorgio by Moroder
Noch so eine Hypegruppe. "Random Access Memories" war eine der größten Enttäuschungen des Jahres, trotz des omnipräsenten "Get lucky". Der einzige Track des Albums, der die hohen Erwartungen nicht nur erfüllen, sondern sogar übertreffen konnte, ist "Giorgio by Moroder". Der Song beginnt mit einem Monolog der namensgebenden Discolegende, in welchem Giorgio von der Erfindung des 4/4-Beats erzählt. Danach zelebrieren die Franzosen in knapp sieben Minuten die Transformation eines simplen elektronischen Motivs zu einem orgiastischen Streicherfinale. Wenn der Rest des Albums nur ebenso brillant gewesen wäre.


Queens of the stone age - I appear missing
"I appear missing" ist zweifelsohne der Höhepunkt des neuen Queens-Albums "...Like clockwork" Einer der wenigen klassischen Rocksongs der vergangenen zwölf Monate, der nicht abgedroschen, sondern mitreißend klang. Dat Ding brennt.


Tocotronic - Die Revolte ist in mir
Wenn alle Bands einen so nahtlosen Übergang ins Alterswerk hinkriegen würden, wie Tocotronic es mit "Schall und Wahn" und "Wie wir leben wollen" vorgemacht haben, müsste man sich viel seltener aufregen. Dirk von Lowtzow schwadroniert zwar mehr denn je in ganz eigenen Sphären, doch vereinzelt vereinen sich des Sängers wirre Worte und die Musik zu einer unwiderstehlichen Mixtur. "Was ich noch sagen wollte: Ich bin kein Mensch in der Revolte, die Revolte ist in mir." singt Dirk, und nimmt Missverständnisse nur zu gern in Kauf. 


M.I.A. - Bad girls
Obwohl dieses Lied schon 2012 erschienen ist, zählt es zu meinen Songs des Jahres 2013. Weil es einfach nicht totzuhören ist. Weil es den besten Timbaland-Beat hat, den Timbaland nicht gemacht hat. Weil dieses unglaubliche Sample einen nicht mehr loslässt.


The Knife - Full of fire
Kranke Scheiße is happening. So klingt es also, wenn man Kim Gordon durch einen Fleischwolf dreht und die Reste zum Musikmachen nach Schweden schickt. Die Geschwister Dreijer haben wirklich ordentlich einen an der Waffel, und zu allem Überfluss machen sie auch noch Kuuuunst, was ihr in Gänze eher unhörbares Werk "Shaking the habitual" zeigt. "Full of fire" ist dagegen ein wunderschöner Song, der einen an Kreissägen und japanische Filme, die man eigentlich verdrängen wollte, erinnert. Mein Tipp für die "staade Zeit".

Montag, 9. Dezember 2013

Angehört 2013: Blog

Das Jahr, das Jahr, bald ist es vorbei. Und wie es sich gehört, ziehe auch ich Bilanz. Als ich im Februar diesen Blog begonnen habe, hatte ich nicht geplant, so viele Artikel zu schreiben. Doch spätestens nach dem Start der Top100-Serie (die übrigens nicht im Sande verlaufen ist, sondern noch in diesem Jahr beendet werden wird) gab es viel zu viele gute Gründe, Artikel über Musik zu schreiben. Ganze 46 Texte habe  ich so seit dem Launch des Blogs verfasst. Reiht man alle Texte in einem Word-Dokument aneinander, ergibt das 122 Seiten Buchstabensalat. Ein kleines Buch wäre also locker zusammengekommen.

Wie groß die Leserschaft dieses Blogs ist, ist relativ schwierig zu sagen, wobei die populärsten Artikel immerhin auf mehrere hundert Impressions kommen. Dass sich so ein popeliger Blog nicht mit den sattsam bekannten Musikseiten im Web messen kann, ist ohnehin klar - und auch nicht mein Ziel. Für das nächste Jahr habe ich geplant, weiterhin konstant Artikel zu produzieren, und ich hoffe, dass ich euch auch 2014 mit Rezensionen, Listen und anekdotischen Betrachtungen zur Musik unterhalten kann. Ein paar Leser mehr schaden natürlich nie, und Anfang 2014 werde ich auch noch einmal die Werbetrommel anschmeißen, um mehr nichts ahnenden Menschen ihre kostbare Zeit stehlen zu können.

Der größte "Hit" des Jahres war mein Verriss zu den Sportfreunden Stiller - ein Artikel, den ich binnen einer Stunde hasserfüllt zusammengekloppt habe. Ich gehe aber davon aus, dass etliche der Klicks auch durch Zeitgenossen generiert wurden, die nach illegalen Downloadmöglichkeiten gesucht hatten. Es wäre schön, wenn ich sie durch meinem Text von ihrem Vorhaben abgebracht hätte, nur fehlt mir ein wenig der Glaube daran. Zumindest wird uns im kommenden Jahr nicht eine erneute Renaissance des unsäglichen "54, 74, 90, 2000 + x" bevorstehen, da 2014 glücklicherweise um eine Silbe zu lang ist, um gut zu klingen. Wobei sich über die Verwendung des Wörtchens "gut" hier ohnehin trefflich streiten ließe.

Dass die Top100 noch nicht fertig beschrieben sind, hat zwei Gründe: Erstens bin ich mir bei einigen Platten immer noch nicht sicher, ob ich sie wirklich in der Liste haben möchte. Dies gilt v.a. für jene Alben, die mich zwar stark persönlich geprägt haben, aber von mir schon seit Jahren nicht mehr gehört wurden. Verraten kann ich aber z.B., dass Radiohead, Nirvana und die Beatles garantiert noch auftauchen werden. Überraschungen wird es aber dennoch geben. Zweitens studiere ich ja noch immer fröhlich vor mich hin, und auch wenn dieser Zustand nun wirklich schon viel zu lange anhält, ist nun sicher, dass er sehr bald mit einem Abschluss beendet werden wird. Dass da durchaus eine beträchtliche Menge Zeit draufgeht, muss nicht ausführlich diskutiert werden.

Erlaubt mir abschließend noch ein paar Worte zum angekündigten Podcast: Aufgenommen ist die erste Folge schon eine ganze Weile, nur leider gefällt sie mir überhaupt nicht. Die Klangqualität eher berauscht als berauschend, ich möchte euch dieses Elend eigentlich lieber nicht zumuten. Um Weihnachten herum werde ich aber sicher mal Zeit finden, einen besser klingenden Cast zu produzieren und vielleicht werde ich sogar noch einige Mitmenschen auftreiben, die mit mir über Musik sprechen möchten. Soll es ja geben.

Im Rahmen der "Angehört 2013"-Serie werde ich im Lauf des Dezembers meine jeweils zehn liebsten Songs und Alben des Jahres vorstellen, aber auch eine kleine Liste der schrecklichsten Verbrechen aus 2013 kompilieren. Am 31.12. erwartet euch noch ein besonderes Schmankerl, aber dazu später mehr.

Ich bedanke mich bei euch und wünsche euch eine besinnungslose Weihnachtszeit.

Dienstag, 3. Dezember 2013

Lady Gaga - Artpop (2013)

4/10

Ich gebe zu, dass ich etwas spät dran mit meiner Rezension bin. Aber letzten Endes passt das nur zu gut zu einem Album, das ganz weit vorne sein will, aber dann doch unpünktlich zur großen Sause gekommen ist.

Nicht weniger als die Verkunstung des Pop hatte Frau Germanotta angekündigt. Große Worte, die hervorragend zur bisherigen Karriere der Sängerin passen. Als sie 2008 sich mit dem Geniestreich "Pokerface" über Nacht zur neuen Königin der Klingeltoncharts gekrönt hatte, war sie nicht nur das Tagesthema auf dem Pausenhof, sondern auch in einschlägigen Kulturbelaberungsmedien. Die neue, die zeitgemäße Madonna sei sie, schrieb man. Der erste virale Weltstar. Und da manche Dinge besser nicht beim Namen genannt werden, wurde sie schlichterhand zum "Phänomen" erklärt. 

Das Phänomen Lady Gaga sollte über Jahre den Musikmarkt dominieren, es verband Optik mit Musik und die Musik wiederum mit einem sich ständig wandelnden Image. Die Gaga hatte verstanden, was Pop ist. Auch wenn ihr Zweitwerk "Born this way" nur unzureichend erste Verfallserscheinungen am Fleischkleid überdecken konnte, blieb sie die unangefochtene Nummer eins. (auch mangels echter Konkurrenz)

Jetzt also "Artpop", inklusive eines richtig geil grausigen Coverartworks von Jeff Koons. Raus aus der Mehrzweckhalle, rein ins MOMA. Wer nun allerdings eine radikale musikalische Neuerfindung des Gagastyles erwartet, dürfte von den Songs auf Germanottas Drittwerk bitter enttäuscht werden.
Dabei fängt es gar nicht mal so unspannend an: "Aura" verbindet einige altbekannte Stilelemente mit orientalisch klingenden Synthielinien und einem überaus eingängigen Refrain. Der Beat schiebt, die Gaga croont. Sehr zeitgemäß hört sich das an, bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und für die Tanzflächen dieser Welt glattgebügelt. 

Der Rest ist Leere. Eine Leere, die auch Dubstepanleihen und Rap-Elemente nicht füllen können. Lady Gaga mag eine gute Sängerin mit einem großen Talent für melodiöse Popsongs sein, wirklich etwas zu sagen hat sie allerdings nicht. Reich und berühmt ist sie, und nach der Pflicht kommt stets die Maniküre. Nun könnte man dem ganzen Gedöns eine Metaebene andichten und Lady Gagas überzuckerte Lieder als Spiegelvorhaltung gegenüber dem Popbusiness verstehen, recht zwingend ist dieser Gedankengang jedoch nicht. Zudem ist das Motiv der Verklärung des eigenen Status weder neu (man denke an Gagas Debüt, "The fame"), noch sonderlich spannend. Nur selten halten die Kompositionen dem Ego der Lady stand ("Swine"), meist verpuffen die an kurze Aufmerksamkeitsspannen angepassten Rummskisten im Nichts.

Dabei könnte sie doch mehr. "Dope" ist z.B. eine wunderbar zynische Ballade, in der Frau Gaga singt als sei der Teufel hinter ihr her. Selbst als ironisches Statement funktioniert das Lied hervorragend, entspricht es doch hinsichtlich Pathos und Melodieführung einer typischen Popschnulze. Leider muss man derlei positive Elemente mit der Lupe suchen. Blödsinn wie "G.U.Y." oder "Sexxx dreams" wird auch nach fünf Flaschen Schampus im Urwald nicht erträglicher.

"Applause" hat sie sich dafür verdient, dass es wie kaum eine andere Künstlerin versteht, dem Feuilleton auf der Nase herumzutanzen. Rein musikalisch stellt "Artpop" eine herbe Enttäuschung dar.