Samstag, 26. April 2014

Ist das peinlich... (Part 2)

Meine Musiksammlung umfasst insgesamt ca. 2000 Alben, wobei ich ca. ein Drittel davon auf altmodischen Tonträgern besitze. Nachdem im ersten Teil dieser Selbstentblößung Dachbodenfunde und "echter" Trash das Thema waren, soll es heute um typische Fehlkäufe gehen. Wohl jeder hat schon einmal mit großen Erwartungen eine Platte erstanden, um dann zu Hause ernüchtert festzustellen, dass das irgendwie doch nicht so toll wie erhofft klingt. Andere CDs dieser Kategorie bestehen den "test of time" nicht und geraten nach anfänglicher Begeisterung rasch in Vergessenheit. Wegwerfen kommt natürlich trotzdem nicht in Frage, weswegen besagte Alben dann langsam dem Altenteil entgegenverstauben dürfen.

Fatboy Slim - You've come a long way baby (1998)

1998 war Fatboy Slim DER heiße Scheiß. Egal ob in Videospielen, im Musikfernsehen oder im Kaufhaus: Der dicke dünne Junge mit seinen großen Beats war überall. Unvergessen sind Klassiker wie "Rockafella skank" oder "Praise you", welche eingängige Samples mit wuchtigen Drumpatterns und zeitgemäßen Stotter-Effekten kombinierten. Das Album zum Hype verkaufte sich richtig gut, auch wenn ein Großteil der darauf vertretenen Tracks nicht ganz mit den großen Singlehits Schritt halten konnte. Auch ich war der Versuchung erlegen, und hatte mir vom Taschengeld dieses Album abgeknapst. Stücke wie "Right here, right now" lösten anfangs echte Begeisterung in mir aus, es sollte jedoch nicht sehr lange dauern, ehe Ernüchterung eintrat. Die Musik des Fatboy Slim war - ganz ähnlich übrigens wie die von Moby - perfekt für kurze Jingles und Einspieler geeignet. Für eine Existenz als lebensbegleitende Beschallungsoption fehlte ihr jedoch die Tiefe.

Sabrina Setlur - Die neue S-Klasse (1997)

Noch so eine aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbare Jugendsünde. 1997 war das Jahr der Sabrina Setlur, welche sich aus nachvollziehbaren Gründen nicht mehr Schwester S nennen wollte, und mit Songs wie "Du liebst mich nicht" und "Freisein" die Charts eroberte. Produziert wurde die ganze Chose von niemand geringerem als Moses "Malaka" Pelham, dessen Label 3P seinerzeit als Nährboden für noch viel größere Übel fungierte. (Moses ist an Xavier schuld. Möge er dafür ewig in der Hölle schmoren.) Setlurs zweites Album klang genauso wie alle anderen Pelham-Power-Productions: Tiefe und voluminöse Bässe, schneidene Snaredrums, ein leicht molliger Teppich aus Streichern und anderem Georgel. Nun war Frau Setlur zwar sicherlich keine gänzlich talentfreie Rapperin, wirklich etwas zu sagen hatte sie jedoch nur selten. Der wohl stärkste Song auf "Die neue S-Klasse" war das düstere "Machsoweita", in welchem Setlur das Thema Gewalt gegen Frauen auf berührende Weise anging. Der Rest der Platte bot typische "Ich > du"-Kost, wobei man der Ex-Schwester das Gehabe nie so recht abkaufen konnte. 

Guildo Horn - Danke! (1998)

Okay, das hier hätte eigentlich besser in den ersten Teil dieser Serie gepasst. Wie die meisten Teenager war auch ich extrem empfänglich für Hypes und Modeerscheinungen, weshalb ich auch von der 1998 grassierenden Begeisterung für den "Meister" mit der nur zur Hälfte wallenden Haarpracht angesteckt worden war. Über Stefan Raabs Evergreen "Guildo hat euch lieb" muss ja nicht mehr so viel erzählt werden, dieses Lied ist auf immer und ewig Sinnbild für das letzte Röcheln der Ende der Neunziger vor sich hinsterbenden Spaßgesellschaft. Horn bot auf "Danke!" ein Potpourri aus neuarrangierten Schlagerklassikern und mehr oder minder erträglichen Eigenkompositionen, wobei die Gassenhauer in der Mehrheit waren. Und so sang er "Wunder gibt es immer wieder", "Aber bitte mit Sahne" und "Baby, du bist nicht alleine", und ich hörte mir das allen Ernstes mit Begeisterung an. Asche auf mein Haupt. Glücklicherweise erfolgte schon wenige Monate nach meiner Verirrung die große Bekehrung zur "richtigen" Musik durch "Songs of faith and devotion", aber diese Geschichte gehört hier nicht hin.

HIM - Razorblade romance (1999)

Achtung, Kalauer: Wo eine Wille ist, ist auch ein Valo. Kellertür auf, Treppe runter, Lachschaden. Andere Herangehensweise, Promostyle: Die romantischen finnischen Goth-Rocker um den charismatischen Frontmann Ville Valo sind zurück. Im Gepäck haben sie nicht nur ihren Smash-Hit "Join me (in death)", sondern ein ganzes Album voller düsterer Herzensbrecher und treibender Rocksongs. Schwermetallische Gitarrenarbeit trifft auf Valos unverwechselbaren Bariton, Herz reimt sich auf Schmerz. HIM machen keine Gefangenen, denn sie sind hier, um die Welt im Sturm zu erobern. Zitat: "Ich glaub ich muss kotzen.", Zitat Ende. Ich weiß noch genau, warum ich mir "Razorblade romance" - das Album zum Smash-Hit - gekauft habe: Im VIVA-Videotext wurde das Album als das neue "Nevermind" gepriesen. Jung und doof wie ich war, glaubte ich das. Obwohl ich eigentlich "In utero" viel lieber als "Nevermind" mochte. Und obwohl ich doch "Join me" kannte, und hätte wissen müssen, dass die bei VIVA ganz schlimme Lüger waren. Hätte ich doch lieber Aquas "Aquarium" kaufen sollen. (was ich übrigens 2006 auf einem Flohmarkt getan habe...)

Papa Roach - Infest (2001)

"Cut my life into pieces, this is my last resort!" Auftritt: Iron-Maiden-Riff, gefolgt von einem total emotionalen Rap von niemand anderem als Coby Dick, dem Peniswitz unter den Rocksängern. Als Teenager ist man ja emotional meist recht instabil unterwegs, was eine Erklärung für die große Popularität von aggressivem Genöle bei adoleszenten Menschen (v.a. bei Jungs) sein könnte. Die Welt ist böse, Schule ist doof und die Eltern sowieso, weil man am Wochenende nicht auf die Party gehen darf. Logische Trotzreaktion: Laute Musik, möglichst auf Englisch, damit sich zum Nicht-Einverstanden-Sein mit dem Leben ein Nicht-Verstehen der Texte gesellt. Texte sind ohnehin nur insofern wichtig, als dass sie möglichst pointiert mitteilen sollen, dass alles Mist ist. Womit wir wieder bei Papa Roach wären: "I can't go on living this way" schreit Coby Dick am Ende von "Last resort". Kann man mal machen. Ebenso einprägsam dann auch der Rest der Kakerlakenkacke: "Broken home", "Revenge", "Binge". Songtitel, die ausdrücken, wie wenig Dick und Kollegen eigentlich zu sagen hatten. Nur gut, dass ich sie damals nur teilweise verstanden habe.

Marusha - Snow in july (2002)

Es muss einfach mal gesagt werden: Marusha ist eine tumbe Nuss. Beweismaterial geistert genügend im Netz herum. Ob es nun Interviews über Angela Merkel oder esoterische Monologe über das total spacige Leben in den Neunzigern sind: Marusha leidet an einer gefährlichen Hirnzellenunterversorgung. Berühmt geworden ist die Frau damals mit einer bumsfidelen Coverversion des unkaputtbaren "Somewhere over the rainbow". Und einige ihrer Tracks (allen voran "Deep" und "U R life") kann man sich sogar heute noch bei akutem Verlangen nach Nostalgie anhören. Warum ich allerdings "Snow in july", ein reichlich uninspiriertes Geseier über einem reichlich uninspirierten Beat, besitze, weiß ich beim besten Willen nicht. Vielleicht fand ich damals ja Marusha noch ernsthaft gut. Die Möglichkeit besteht - gab es doch einmal eine Phase, in der ich eine unerklärliche Schwäche für 90er-Techno und ähnliche Undinge hatte. Wobei Marusha sich zu gutem Techno so verhält wie Rindfleisch zu einem vegetarischen Quiche.

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