Samstag, 22. Juni 2013

Top 100: 90 - 81


90 Dio - Holy diver (1983)
Es gibt einige Riffs, die den Hard Rock definieren (und Gitarrenhändler weltweit wahrscheinlich bis in den Schlaf verfolgen): "Smoke on the water", "Highway to hell" und "Eye of the tiger" gehören hier sicherlich zur Spitzengruppe der Musikladencharts. Nicht minder prominent ist das Hauptriff des Songs "Holy Diver" des englischen Sängers Ronnie James Dio. Der meist mit Floskeln wie "kleiner Mann mit großer Stimme" bedachte Herr gehörte zu den wichtigsten Künstlern der britischen Rockmusik, so war er u.a. auch langjähriger Leadvokalist bei Black Sabbath. Sein Solodebüt "Holy Diver" aus dem Jahre 1983 ist eine kraftstrotzende Songsammlung, aus der neben dem genreprägenden Titelsong das metallische "Stand up and shout" und die Hymne "Rainbow in the dark" herausragen.

89 The Cure - Bloodflowers (1999)
"I'm watching me fall" schreit der Sänger. Immer wieder. Es dröhnt und kreischt, zäh fließt die Musik dem Abgrund entgegen. Das ist keine Deprimucke für unglücklich verliebte Teenager, das ist der Soundtrack existenzieller Lebenskrisen. Am Ende des elf Minuten währenden Liedes sind nur Ruinen übrig, drinnen wie draußen. The Cure mögen größere Hits geschrieben haben, und "Disintegration" mag das kompaktere Album sein - aber niemals oszillierte die Band virtuoser zwischen manischer Depression und milder Melancholie als auf "Bloodflowers". Neun Lieder über das Älterwerden, neun Lieder Lebensfrust, dem Tode entgegen. Ein ideales Sommeralbum.

88 Rammstein - Herzeleid (1995)
Deutsche können nicht grooven. Sie dreschen daher stumpf im Viervierteltakt auf die erstbesten Gegenstände ein, die sie finden können. (beim Musikantenstadl sind es zum Beispiel die eigenen Hände.) Die Berliner Band Rammstein machte Anfang der Neunziger aus der Not eine Tugend und erkor den Groove der fleißigen Bausparer zum Gerüst ihrer Musik. Stoisch hämmert die Bassdrum, maschinell fräsen die Riffs. Der Gegenentwurf zu James Brown. Und dann diese Texte: Kinderreime mit "provokantem" Inhalt, dargeboten mit gerrrrolltem R und einer Humorlosigkeit, die selbst im innerdeutschen Humorvakuum ihresgleichen suchte. "Sex ist eine Schlacht, Liebe ist Krieg". Ganz schön panne das alles. Und ziemlich geil.

87 Guts Pie Earshot - Distorted wonderland (1997)
Jetzt wird es ein wenig obskur. Guts Pie Earshot ist eine Band, die während ihrer mittlerweile fast zwanzigjährigen Geschichte mehrere Metamorphosen durchgemacht hat. Punk, Techno, Filmmusik, Drum and Bass - die stilistische Bandbreite der Gruppe war und ist beeindruckend. Heute lebt das Projekt als Duo fort, Ende der Neunziger bestand die Gruppe noch aus fünf Mitgliedern. "Distorted wonderland", das dritte Album (wenn man die Debüt-EP mit einrechnet) der Band, vereint wilde Noisepassagen mit zarten Harmonien und der puren Freude an der Dissonanz. Gehirnverdrehende Songs wie "Me Grain" oder "Several parts of life" sind keine leichte Kost, aber die Geduld, sich auf das Chaos einzulassen, wird mehr als belohnt.

86 William Shatner - Has been (2002)
Dass der Schauspieler William Shatner (bekannt wurde er als Cpt. Kirk in der ersten Star Trek-Fernsehserie) eines Tages ein Album aufnehmen würde, das nicht ins Gruselkabinett gehört, hätte man vor der Veröffentlichung von "Has Been" für unmöglich gehalten. Zu nachhaltig hatten sich Shatners erschreckend talentfreie erste musikalische Gehversuche eingeprägt. Dass er als alter Mann plötzlich doch noch gute Musik aufnehmen konnte, ist v.a. Ben Folds zu verdanken, der einen Großteil der Songs auf "Has Been" komponierte und produzierte. Und so lässt uns der grummelnde Bill an seiner Weisheit teilhaben: Er erzählt (das ist wörtlich zu verstehen) von Trauer, Fahranfängern, Entfremdung und dem Tod ("You're all gonna die!"). Und am Ende steht die Erkenntnis: "But just because you've seen me on your TV / Doesn't mean I'm any more enlightened than you."

85 Oasis - Definitely maybe (1994)
Lange bevor sich die Gebrüder Gallagher in Selbstzerfleischung übten, machten sie Musik - und was für welche! Hymnen, die von Tausenden gesungen werden müssen. Die unnachahmliche Verbindung aus jugendlicher Überheblichkeit und dem Gespür für unverschämt einprägsame Melodien ist es, was das Oasis-Debüt bis zum heutigen Tage so besonders macht. "Supersonic", "Live forever" und "Cigarettes & Alcohol" sind schon jetzt Evergreens.


84 Interpol - Antics (2004)
"We ain't going to the town, we are going to the city." Mit diesen programmatischen Worten beginnt das zweite Album der New Yorker Band Interpol. "Antics" ist urbane Einsamkeit in Songform, es ist schillernd, aber kalt. Auf Basis klassisch achtelgeschwängerter Postpunkminimalismen raunt Sänger Paul Banks seine Unmutsbekundungen, die mal zärtlich ("Take you on a cruise") und mal manisch-brütend ("Not even jail") daherkommen. Beton kann manchmal so berührend sein.

83 The Who - Who's next (1971)
Zunächst einmal ist "Who's next" einer der besten Albentitel. Dann ist "Baba O'Riley" einer der besten Opener. Und schließlich sind The Who eine der besten Bands. Aus irgendeinem Grunde werden sie meiner Meinung nach noch immer unterschätzt. Bereits Anfang der Siebziger schafften sie es, bis dato als unvereinbar geltende Stilelemente kunstvoll zusammenzuführen.



82 Tocotronic - dto. (2002)
Bei der Frage "Frühe oder späte Tocotronic?" gibt es für mich nur eine Antwort: Die mittleren! Mit dem Genöle der Frühphase kann ich mittlerweile gar nichts mehr anfangen, und auch wenn die späteren Alben mit etlichen Großtaten aufwarten konnten, stellen für mich "K.O.O.K." und das selbstbetitelte "weiße Album" die Höhepunkte der Diskographie der drei Mannen aus dem Norden dar. Die Abkehr von simplen Dreiakkordsongs und T-Shirt-Spruch-Lyrik sorgte für bedröppelte Gesichter bei jenen Hörern, die Lieblingsbands kein Recht auf Entwicklung zugestehen möchten - eine Errungenschaft, die man der Gruppe hoch anrechnen muss. Musikalisch differenzierter ging das Trio auf "Tocotronic" zu Werke, perlende Gitarrenakkorde umkreisen behutsam eingesetzte Synthesizerelemente, und von Lowtzow ließ die Eindeutigkeit hinter sich und entdeckte die Metapher. Ein Hoch der Zwischentöne.


81 Iron Maiden - The number of the beast (1982)
Kommt mir jetzt nicht mit "Metal ist peinlich, das ist Musik für axtschwingende Methornbesitzer." Dass manchen Metalfans mehr als ein Rad am Wagen fehlt, gehört hier nicht hin, es soll um Iron Maiden gehen. Denn die sind nämlich eine der wenigen Bands des Kerngenres, die sich nicht in bloßem Gepose und ungebremster Saitenonanie verlieren. Natürlich wird auf Maiden-Platten soliert und geknödelt was das Zeug hält, aber gerade auf den klassischen Alben merkt man deutlich, dass hier keine bloße Penisvergleicherei stattfindet. Es gibt kaum eine Band, der man den Spaß an der Sache so anhört wie Iron Maiden. Galoppierende Rhythmen, perfekt ineinandergreifende mehrstimmige Gitarrenmelodien und ein wie entfesselt singender Bruce Dickinson - hier passt alles.

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