Es folgt ein schon etwas älterer Text, den ich Anfang 2012 geschrieben habe. Da die Kernaussage (Die Masse ist taub.) jedoch immer noch zutrifft, habe ich mich dazu entschieden, ihn euch nicht vorzuenthalten. Vorhang auf für die Singlecharts!
21. Silbermond - Himmel auf
Was macht dich
glücklich? Oh Gott. Da reden Menschen. Glück ist, wenn die Sonne
scheint, wenn man die Augen aufmacht, Zufriedenheit, Frieden auf der
Welt. Scheiß die Wand an, was ist das denn hier? Kirchentag für
Würstelbudenbesitzer? Und wann geht eigentlich der Scheißsong wirklich
los? Glück hängt nicht vom Geld ab. Okay, da gibts keinen Song. Einfach
nur Leute, die erzählen, was für sie Glück ist. Unterbrochen werden
die Banalitäten vom Singsang der Silbermond-Frontfrau. "Wann reißt der
Himmel auf, auch für mich?" Hoffentlich bald, und hoffentlich fährt ein
Blitz hernieder, der sie von der Erde tilgt. Glück ist Leben.
20. Stefanie Heinzmann - Diggin' in the Dirt
Soso,
die gibts also auch noch. Schmatzende Bassdrum, simpler Beat. Steffi
eiert sich recht solide durch eine harmonisch banale Strophe, bevor
eine ebenso nichtssagende Bridge die Pforten für den Refrain öffnet, in
welchem Heinzmann die Rockröhre mit purem Seggs flutet. Im Video
hampelt übrigens ne Band rum, wobei man im Arrangement eigentlich nur
Stefanies Gesang, den Bass, nen Chor und die Drums hört. Gitarre nix
da.
Aber der Gitarrist kann geil nicken beim Nixtun. Der Song
steuert nun so langsam dem Ende entgegen, wie üblich dauert ein Popsong
ja nur eine Minute, die restlichen zwei bestehen aus Wiederholungen
der vorherigen Teile. Und Ende.
19. DJ Antoine - Ma Cherie
Ja
Himmelarsch, da singt ein Franzose Englisch. Die Bassdrum pappt an den
Boxen wie Honig am Arsch der Hölle. Der Song besteht aus einer simplen
Akkordfolge, die für drei Minuten durchkonjugiert wird. Der Refrain
punktet mit klaren Gesangsharmonien. Der Kontrast zwischen "modernen"
Synthiesounds und einem Akkordeonsample lässt darauf schließen, dass
dieses Lied primär dem Broterwerb dienen soll. Clever ists zwar nicht,
aber zumindest eingängig. Ideal für die nächste Busenwackelfete in
Kevins Vorgarten.
18. Marlon Roudette - Anti Hero
Smoother
Beat, unaufdringliche Mollharmonien. Semi-eunuchaler Gesang. Der erste
Song, der nicht direkt nervt, sondern sich in die Kategorie "wird durch
das Radio zum Folterinstrument" einordnen lässt. Das Lied lässt sich
gut wegnicken, aber auch ebenso gut und v.a. schnell wieder vergessen.
Auch hier wieder das leidige Popphänomen: Der Song nimmt kein Ende.
17. Ed Sheeran - The A Team
Der
erste Kommentar neben dem Video: "Hiphop is geiler", von einer gewissen
Melissa Zicke, die auf ihrem Foto aussieht wie 13, und das
wahrscheinlich auch ist. Na habadere. Das Lied läuft entspannt an,
Akustikgitarre, schmalzig-schmelziger Männergesang. Die Refrainmelodie
erinnert angenehm an frühere Tage. Eigentlich ists ja recht schön, dass
es tatsächlich noch Leute zu geben scheint, die leise und gleichzeitig
kitschige Popmusik schreiben wollen. Gutes Lied.
16. Taio Cruz - Troublemaker
Whohoo,
jetzt gehts in den Club. Oder in die Dorfdisse, das dürft ihr
entscheiden. Vocoderpower, Autotune-Attacke. Und dann gehts los: Die
leidigen synkopierten Retrosynthies, der leidige "emotionale" Gesang,
die Chöre des Leidens. Taio Cruz hat alles, und noch lange nicht genug.
Das klingt alles so, als hätten sich Coldplay davon inspirieren lassen.
Und nun eine Bridge, die so auch aus den 90ern stammen könnte,
Stottergesang inclusive. HOEEOOOHEEOO. Hallo Stadion.
15. Avicii - Levels
Kompressor,
ick hör dir trapsen. Die Zukunft ist so abgefahren, da paaren sich
Vierviertelbeats mit den irrsten Faderspielerein seit der Erfindung des
Mettigels. Der Track versucht erst gar nicht, in irgendeiner Weise
Interesse beim Hörer zu wecken, sondern hämmert einem die simple Melodie
mit dem Dampfhammer ins Gehirn. Breakdown in der Mitte, jetzt kommt
sicher gleich Frau...ah da ist er schon, der Frauengesang. Schön, dass
man sich auf manche Dinge im Leben noch verlassen kann. Nun, da das
auch abgehandelt wäre, heißen wir unseren Freund, die Trisomiemelodie,
wieder willkommen und erinnern uns schweigend an Christian Wulff.
14. Christina Perri - Jar of Hearts
Oh,
die sieht ja aus wie Amy Winehouse vor den Drogen. Schnuckelig. Eine
Klavierballade, ganz in der Tradition der 90er-Heulbojen, wobei der
Gesang hier bewusst vom Understatement lebt. (vielleicht kann sie aber
auch nicht besser singen...) Der Refrain arbeitet ganz fies mit Harmonien,
die man schon so oft gehört hat, dass man beim ersten Mal mitsingen
kann. Und nein, Frau Perri, da hilft auch eine pseudodramatische Bridge
nix mehr. Das nervigste an dem Song ist aber der quäkende Gesang
unserer Heldin. Gottlob ists bald überstanden. "Who do you think you
are?" Das frag ich mich auch gerade.
13. Deichkind - Leider geil
Irgendwie schon geil.
12. Deichkind - Bück dich hoch
Ufftata,
jetzt wirds lustig. Karneval is doch schon vorbei? "Bück dich hoch,
komm steiger den Profit." Ist das jetzt ironisch, oder wirklich doof?
Hier wird meisterhaft mit den Erwartungen des Publikums gespielt, so
viel ist klar. Man kann zu dem Lied nicht wirklich viel schreiben. Es
befriedigt mehrere Zielgruppen auf einmal, und es war sicher auch
schnell fertig.
"Wir steigern das Bruttosozialprodukt!", na sowas, wir sind ja so Popkultur. Widerlich.
11. Ivy Quainoo - Do you like what you see
Ah,
"The Voice of Germany" macht einen auf Shirley Bassey und
Bond-Soundtrack. Die Stimme der Frau hat in der Tat Klasse, der Song
ist leider langweilig, aber was erwarte ich eigentlich? Wobei man aus
dem Lied mit einer knackigeren und v.a. etwas roheren Produktion viel
rausholen könnte. Die Gitarre ist zu zahm, die Bläser zu dezent, der
Gesang zu glasiert. Nächstes Lied bitte.
10. Jason Derulo - Breathing
Okay,
jetzt wirds wieder richtig schlimm. Der Mann guckt aus der Wäsche wie
R.Kelly nach der Stammhirnentfernung. Die üblichen Vocoder- und
Autotune-Spielereien, four on the floor. Und dann der Refrain: "I only
miss you when I'm breathing" Wahnsinn. Und es wird noch besser:
Ayayayay singt der Chor! Me gusta? Eines muss man Jason aber lassen: Die
Mitgliedschaft im Fitnessstudio hat sich gelohnt.
Wie emotional ergriffen er singt! Man möchte ihn am liebsten per Gnadenschuss von seinem Leid erlösen.
9. David Guetta - Turn me on (feat. Nicki Minaj)
Okay,
nun also der Großmeister der Dancefloor-Retro-Kacke. Erstaunlich
zahnlos produziert. Das Video thematisiert zum ersten Mal überhaupt in
der Menschheitsgeschichte die Mär von der Mensch-Maschine. Zum Glück
kann man Nasen heute künstlich klein halten. Zur Musik muss man nicht
viele Worte verlieren, der Höhepunkt ist der Teil, in dem die Sängerin
einen auf Raggamufti himself macht.
8. Unheilig - So wie du warst
"Hab
keine Angst, ich bin da für dich" Ist das eine Drohung? Und hat es
nicht schon mal ein Lied von Unheilig über Verlust und Vergänglichkeit
gegeben? Fragen über Fragen. "So wie du warst, bleibst du hier." Das
ist ekelhaft, schlicht ekelhaft. Pathetische Chöre, patschendes
Schlagzeug. "Ich bin stolz auf unsere Zeit." Das hier ist ganz, ganz
schlimmer Schlager. Ich zitiere die Kommentare: "Warum rührt mich
dieses Lied so?" "Weil es zum Nachdenken anregt." Ich lasse das mal so
stehen.
7. Flo Rida - Wild ones (feat. Sia)
Genug
gelitten, auf nach Dubai! Jetzt gibts wieder dick Disco ins Gesicht.
Uffz uffz, und sogar gerappt wird hier wie entfesselt. Gekonnt schafft
der Sprechsänger es absolut nichts zu auszusagen, und dennoch dreißig
Sekunden in synkopierten Sechzehntelketten dem Beat Paroli zu bieten.
"Hey I heard you like the wild ones" Jawoll, hier ist die Jugend, hier
gehts rund. Ärsche ohne Ende, sowohl vor als auch hinter der Kamera,
bzw. dem Mikrophon. Ich habe selten eine nichtssagendere Refrainmelodie
gehört. SO WILD! Da muss man ja wie einer der Opas aus der Muppetshow
enden.
6. Gotye - Somebody that I used to know
I
begin to see a pattern. Jetzt also wieder ein akustisches Lied,
vorgetragen von einem mageren Typen, der wie ein echter Künstler
aussieht. Sehr minimalistisch und hypnotisch, erinnert ein wenig an
eine Kreuzung aus Manu Chao und Sting. Das Arrangement bleibt
unaufdringlich. Jetzt kommt noch ne Frau dazu, die auch recht hübsch
singen kann. Fazit: Der beste Sting-Song seit 20 Jahren.
5. Aura Dione - Friends
Suzanne
Vega und Whigfield in einem Intro! Ich befürchte fast, dass das schon
der Höhepunkt des Songs war. Stoischer Beat, der so auch aus dem Jahr
2000 stammen könnte. "At least I got my fri - eh - eh - eh" Hiermit
verleihe ich Aura den Rihanna-Umbrella-ella-eh-eh-Gedächtnispreis.
Nettes Kinderlied.
4. Sean Paul - She doesn't mind
Yaaay,
Sean da Paul. Held der sexistischen Einheitspartei und bekennender
Sonnenbrillenträger seit nun bald 10 Jahren. Unerreicht in Gestus und
Vortrag lässt Sean Paul hier deutlich raushängen, dass ers nicht mehr
nötig hat, sich ernsthaft anzustrengen. Das Video legt zumindest nahe,
dass der Herr potenter als ein Ochse ist. Zum Song: Das interessanteste
Feature ist der minimalistische Beat, der die diversen Synthiepads,
Chöre und sonstigen Spielereien zusammenhält. Eine Hymne für den Sommer
im Freibad Wanne-Eickel.
3. Die Ärzte - Zeidverschwändung
E-Gitarren,
dass es die noch gibt... Selbstironie, die nur abgeschmackt daherkommt.
Selbstreferentieller, ach-so-ironischer Mist. Wegen Belas grandiosem
Gesang allerdings durchaus noch hörbar. Zumindest dieses erste und
letzte Mal.
2. Olly Murs feat. Rizzle Kicks - Heart skips a beat
So
langsame verspüre ich Ermüdung. Jugendlich aussehende Menschen tanzen
und haben voll die hässlichen Klamotten an. Wir sind ja auch im 21.
Jahrhundert, da ist ironische Ironie ironisch gemeint. (mindestens) Das
Lied tut keinem weh, harmlose Offbeats, ein wenig Gesinge, ein wenig
Gerappe. Was macht Timbaland eigentlich mittlerweile?
1. Michel Teló - Ai se eu te pego
Endlich
auf Platz 1 angekommen. Ricky Martin hat sich verjüngen lassen? Lambada
ist wieder in? Was zur Hölle ist das denn? Die Ladies im Video
scheinen es zu lieben, obwohl Michel ein Gesicht macht, als hätte sich
gerade in die Windeln...lassen wir das. "ossa ossa", Rex Gildo dreht
sich stumm im Grab um, während die hübschen Damen große Augen machen
und ihre willigen Körper in die Kamera halten. Song endet, Mensch lebt,
Maschine brennt.
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