Donnerstag, 1. August 2013

Top 100: 50 - 41

Es sind dann doch wieder 10 Alben geworden. Wenn man mal angefangen hat, fällt das Aufhören schwer...

50 Björk - Homogenic (1997)
Björk kann ganz schön nerven. Sie ist ja auch die personifizierte Kuhunst. Avantagardine und so. Dass sie aber auch eine verdammt großartige Sängerin und Songschreiberin ist, vergisst man in diesen Situationen leider. Zum Glück kann man sich dessen leicht erinnern, indem man sich ihr wohl bestes Album "Homogenic" zu Gemüte führt. Während spätere Veröffentlichungen meist recht verkopft daherkamen, ist hier ausnahmsweise das Verhältnis zwischen kühler Elektronik und herzzerreißenden Melodien ausgewogen. Die Koketterie mit mädchenhafter Niedlichkeit hinter sich lassend, zeigt die Isländerin auf ihrem dritten Soloalbum die ganze Bandbreite ihres Talents. Liebeserklärungen wie "Jóga" und "Unravel" berühren ganz unmittelbar. Doch auch die rauheren Momente wissen zu überzeugen: Das stolpernde "Hunter" klingt noch immer taufrisch, und das die Lautsprecher sprengende "Pluto" ist auch heute noch furchteinflößend. Und "All is full of love" ist nicht von dieser Welt.

49 Muse - Origin of symmetry (2001)
Schrecken, der sich Weiterentwicklung schimpft und in Wirklichkeit Ideenlosigkeit ist. Zu finden auf allen Muse-Alben nach "Absoultion". Zwar enthielt "Black holes and revelations" noch einige anständige Lieder, spätestens seit "The 2nd Law" fabriziert das Trio um den exaltierten Frontmann Matthew Bellamy nur noch Edelschrott mit Zuckerglasur. Und jetzt kommt mir nicht mit irgendwelchen Queen-Vergleichen. Auf "Origin of Symmetry" war die Welt allerdings noch in Ordnung. Die Klavierläufe perlen, die Gitarren bratzen. Und Bellamy prügelt seine Stimme in den Himalaya. Neben der hinterfuchsig-eingängigen Single "Plug-in baby" ragen besonders das epische "Citizen Erased" (dieser Basslauf!) und der stürmische Opener "New born" heraus. Natürlich waren sie auch damals schon extrem pathetisch unterwegs, aber im Vergleich zu späteren Kitschhymnen besaßen die Lieder auf "Origin of Symmetry" noch Ecken und Kanten. Anders formuliert: Muse taten damals noch angenehm weh.

48 Bruce Springsteen - Nebraska (1982)
Ich mag Bruce Springsteen nicht. Die Hemdsärmeligkeit. Dieses "Hey, ich bin einer von euch"-Getue. Authentizität, ganz gleich ob real existent oder schauspielerischem Talent entspringend, interessiert mich kein bisschen. Ich bin wegen der Musik da. Und Springsteens Musik ist in der Summe nicht gerade wagemutig. Nun kann man selbstverständlich berechtigterweise einwenden, dass sie das weder sein möchte, noch muss. Führt man sich aber die wenigen grandiosen Alben des amerikanischen Musikers vor Ohren, wird klar, dass er nur selten über seinen Schatten gesprungen ist. Adult oriented rock schimpft sich das. Musik für echte Menschen, so wie du und ich welche sind. Dabei kann Springsteen mehr als Schunkelschlager: Das in kürzester Zeit im hauseigenen Schlafzimmer aufgenommene "Nebraska" zeigt einen anderen Bruce. Einen verletzlichen. Nur von Akustikgitarre und Mundharmonika begleitet, singt er Lieder, die wie das Land klingen, das dem Album seinen Namen verlieh. Durch die spärliche Instrumentierung und den unverstellten Gesang wähnt man sich fast schon zu nah am Geschehen. Die Themen der Songs sind klassisch: Mord und Totschlag, Verrat und Betrug, Einsamkeit und Frustration. Ähnlicher als hier war Springsteen Cash nie.

47 A Perfect Circle - Thirteenth step (2003)
Das Seitenprojekt ist des Musikers liebster Sargnagel. Wenn es mit der Hauptband nicht mehr so recht laufen will, ruft man ein paar Bekannte, Freunde, Wasserträger und Studiomusiker an, um fortan unter neuem Banner dem Untergang entgegenzusegeln. Selbstverständlich sind nicht alle Nebenprojekte Zeugnisse künstlerischer Orientierungslosigkeit, man denke z.B. an Scumbucket oder die diversen Eskapaden der Sonic Youth-Mitglieder. A Perfect Circle, Zweitarbeitsplatz von Maynard James Keenan (Tool) und Hauptbeschäftigung für James Iha (Ex-Smashing Pumpkins) und Billy Howerdel (ursprünglich Gitarrentechniker für diverse bekannte US-Bands), gehört glücklicherweise zu den guten Supergroups / Zweitprojekten. Besonders das zweite Studioalbum der Band, "Thirteenth step", ist ein elektrisierender Mix aus Progressive Rock, Metal und Pop. Weniger vertrackt als Tool, dafür mit einer Menge Mut zur Melodie ausgestattet, kommen die Songs daher. Deutlich merkt man dem Sound an, dass hier Perfektionisten am Werk waren. Beispiele: Das sich aus einem einzigen Ton zu göttlicher Größe aufblähende "The Noose", das verquer-hymnische "The Package", das widerspenstige "Pet". "Thirteenth step" auf die Gitarrenbreitseiten zu reduzieren, wäre jedoch ungerecht. Gerade in den Balladen zeigt sich die ungeheure Raffinesse, mit welcher die Band zu Werke geht. Keenans Sangeskünste sind ohnehin über jeden Zweifel erhaben, mühelos gelingt es dem Vokalisten, von liebreizendem Säuseln zu stimmbandvernichtendem Geschrei (und wieder zurück) zu wechseln.

46 Queen - A night at the opera (1975)
Manche Lieder sind so bekannt, dass man das Gefühl hat, einem Professor das ABC beibringen zu wollen, wenn man über sie schreibt. "Satisfaction", "New York, New York", "Yesterday" wären da einige Kandidaten. Und natürlich "Bohemian Rhapsody", seines Zeichens Freddie Mercurys Miniaturoperette im Dampfhammerstil. "I'm just a poor boy, from a poor family. (...) Scaramouche! Scaramouche! Can you do the Fandango? Thunderbolts and lightnig, very very frightening (me), Galileo, Galileo, Galileo, Figaro..." Ihr wisst, wie es weiter geht. Und ich wette, dass ihr gerade während des Lesens die Melodie im Kopf hattet. Das dazugehörige Album nennt sich "A night at the opera", und ist nicht minder irre als sein größter Singlehit. Musicalelemente, Hardrockriffs, minutenlange Chorpassagen, Queen waren 1975 auf dem Zenit ihres Schaffens. Allein das, was Mercury mit seiner Stimme veranstaltet, lässt einen auch nach über 40 Jahren noch staunen. Schon das an Disney-Soundtracks erinnernde "Seaside Rendezvous" ist angenehm plemplem, der darauf folgende "Prophet's song" ist in seiner Beklopptheit dann derart over the top, dass man ihn lieben muss. "Lalalala, listen to the man, listen to the man! Lalalala". Nicht mehr alle Zacken in der Krone zu haben, scheint mir überlebensnotwendig - und "A night in the opera" bestätigt meine These aufs angenehmste.

45 The Strokes - Is this it (2001)
Ach ja, die Strokes. Die prototypische Hypeband. Reiche Jungs aus New York City, die in ihrer im Überfluss vorhandenen Freizeit die unterkühlten Rocker geben. Arroganz in der Stimme, Understatement aus der Gitarre. Brauchts das wirklich? Aber ja! Unabhängig von all den Debatten über die Relevanz der Band enthält deren Debüt schlicht fantastisches Songmaterial. Die Verbindung aus Velvet Underground-Gedächtnis-Geschrammel und bewusst dumpf gemischtem Genöle sollte eine ganze Heerschar von Nachmachern heraufbeschwören. An das "Original" kam natürlich niemand heran, nicht einmal die Strokes selbst. Lieder wie "Last Nite" oder "New York City Cops" sind aber auch verdammt schwer zu toppen. Besonders tiefgründig sind die Schlager auf "Is this it" natürlich nicht, aber beinahe jeder Song besitzt einen genialen Moment. Mal ist es ein verspult eingestreutes Solo ("The modern age"), mal ist es ein Refrain, der einem ein debiles Grinsen ins Gesicht zaubert. ("Barely Legal"). Ein Album, das einfach Spaß macht.

44 PJ Harvey - Let England shake (2011)
"Let England shake" ist eine Sammlung von Abgesängen. Die Songs entsprechen Verabschiedungen alter Welt- und Selbstverständnisse, man nimmt Teil an einer beklemmenden Reise durch ein kaputtes Leben. "What is the glorious fruit of our land? Its fruit is orphan children." Zynischer und wahrer gehts kaum. Dazu dengeln die verhallten Gitarren im Shoegaze-Modus und PJ Harvey gibt die stimmlich extrem wandlungsfähige Unheilsverkünderin. Ein spukiges, ein im nicht-ironischen Sinne gruseliges Album. Minimale Mittel, maximale Wirkung. "All and everyone" zieht einem beispielsweise förmlich den Boden unter den Füßen weg, und alles, was es dafür benötigt, sind vier Akkorde und ein paar Posaunen. Kaum ein Ausfall befindet sich auf "Let England shake", einer Platte, die binnen kürzester Zeit Klassikerstatus erlangt hat - und das vollkommen zurecht.

43 Snoop Doggy Dogg - Doggystyle (1993)
Ihr dürft nun mit Gegenständen nach mir werfen. Snoop Dogg vor Queen? Vor Led Zeppelin? Sakrileg! Nun, ich habe eine Schwäche für den wohl bekifftesten Pimp der Rapgeschichte. Niemand kann so unglaublich entspannt davon berichten, dass er der Geilste ist, wie Snoopy D-O-Double-G. Das Debüt des "Doggfather" ist stlistisch noch eindeutig der "G-Funk era" zuzuordnen. Die furztrockenen Grooves aus der Feder Dr Dres bilden die perfekte Basis für Snoops lasziv-arroganten Singsang. Neben den offensichtlichen Hits "What's my name?" und "Gin & Juice" befinden sich noch zahlreiche weitere Knaller auf dem Album, allen voran das angeblich gefreestylte "Tha Shiznit" und das herrlich doofe "Lodi Dodi". Das, was Calvin Broadus hier abliefert, ist ganz großes Entertainment. Keine einzige langweilige Sekunde gibt es auf "Doggystyle", selbst die auf HipHop-Alben meist eher überflüssigen Skits sind hier derart panne, dass man sie feiern muss. ("Everybody's got to hear the shit, on WBALLZ, WBALLZ, WBALLZ") Sicherlich ist Snoop Dogg nicht der beste Rapper aller Zeiten, der coolste war er Anfang der Neunziger aber definitiv.

42 Queens of the Stone Age - Rated R (2000)
"Nicotine, Valium, Vicodin, Marijuana, Ecstasy and Alcohol. C-C-C-C-C-Cocaine!" Achtelnoten voll auf die Zwölf. Simpel, aber effektiv gelang den Queens of the Stone Age auf ihrem zweiten Album das, was nach der Implosion der Grunge-Musik Mitte der Neunziger für undenkbar gehalten wurde: Eine unpeinliche Wiederbelebung puristischer Rockmusik. Im Zentrum des Sounds der Queens steht das Gitarrenspiel Josh Hommes, der brutale Riffs ebenso entspannt aus dem Ärmel schüttelt wie psychedelische Soli. Dazu gesellen sich die abgezockten Bassläufe von Nick Oliveri, der nicht nur ganz hervorragend herumbrüllen ("Quick and to the pointless"), sondern auch erstaunlich liebreizend singen kann. ("Auto pilot") Wären nicht einige schwächere Tracks auf "Rated R" vertreten, müsste man das Album sogar höher als das zwei Jahre später erschienene "Songs for the Deaf" einordnen. Ein geiler Trip für heiße Tage.

41 R.E.M. - Automatic for the people (1992)
"Nightswimming" ist das schönste Lied der Welt. Das Klaviermotiv, die Streicher, diese verdammte Oboe. Die Stimme, der Text: "Nightswimming deserves a quiet night. I'm not sure these people understand. It's not like years ago, the fear of getting caught." Vier Minuten lang steht die Zeit still, vier Minuten pure Melancholie. Und weil R.E.M. sich mit einem perfekten Song nicht zufriedengeben, folgt auf "Nightswimming" "Find the river", welches das 1992er-Album "Automatic for the people" beschließt. "Pick up here and chase the ride, the river empties to the tide, all of this is coming your way". Ein Lied über das Sterben und das Loslassen, und ein Lied, das zeigt, weswegen R.E.M. von Millionen von Menschen auf der Welt geliebt werden. 

Es sind nicht ausschließlich die großen Hits wie das unvermeidliche "Losing my religion" (von "Out of time"), sondern auch jene Kleinode(n), die ganz unaufdringlich menschliche Gefühlslagen in Songform übersetzen, die einen nicht mehr loslassen wollen. Anfang der Neunziger waren R.E.M. auf dem Gipfel der Popularität, nachdem sich "Out of time" millionenfach verkauft hatte. Anstatt dem Zeitgeist (laute Gitarren) zu folgen, veröffentlichten sie mit "Automatic for the people" eine meist leise und stets zurückhaltend daherkommende Songkollektion. Neben den bereits genannten Übersongs befanden sich zahlreiche weitere Schönheiten auf dem Album, allen voran natürlich das ätherische "Drive" und das beschwingte "Man on the moon". Und was ist mit "Everybody hurts", dem Lieblingslied aller Taschentuchhersteller und Wunderkerzenproduzenten? Nun, auch wenn die Melodie hübsch ist, hat man sich an dem etwas zu kitschigen Song recht schnell sattgehört. Dies schmälert die Qualität des Gesamtalbums jedoch nur bedingt. Ein Inselkandidat.

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