Ebenso
unnahbar wie verletzlich wirkt die Dame, die uns auf dem Cover
entgegenblickt. Die Insignien männlichen Pfauentums (offene Krawatte,
ein über die Schulter geworfenes Jackett) wirken sorgsam deplatziert an
ihr. Sie begrüßt uns mit Worten, die sich ins Gedächtnis brennen: "Jesus
died for somebody's sins - but not mine."
Was folgt,
sind sechs furiose Minuten, in denen die Sängerin sich in einen Rausch
kiekst und souverän scheppernde Band sich ins Delirium schrammelt.
"Gloooria" jauchzt der Backgroundchor, die Glocke schlägt, die Hütte
brennt. Es gibt wenige Debütalben, die mit solch einer Wucht
daherkommen. Patti Smith ruft: "Hier bin ich nun", und meint: "Ich
bleibe".
Und Smiths Erstling "Horses" schlug ein wie die
oft herbeizitierte Bombe. Hier war jemand, der Rockmusik anders
interpretierte. Gerade die Art und Weise, wie Smith die eigene
Weiblichkeit zu positionieren wusste, war visionär.
Zentrale
Stücke des Albums sind die jeweilis neunminütigen "Birdland" und
"Land". Besonders ersteres zählt zu den intensivsten Stücken, die die
Popmusik der letzten Jahrzehnte hervorgebracht hat. Zu anfangs sehr
zurückhaltender Klavierbegleitung rezitiert Smith einen Text, der zu
Beginn die Geschichte eines tragischen Todes erzählt. Der sich langsam
Bahn brechende Wahnsinn, der schließlich unkontrolliert vom
Protagonisten des Liedes Besitz ergreift, spiegelt sich in der
aufbrausenden Musik wider. Smiths Worte schweben über den tosenden
Klangwellen, immer wirrer werden die Bilder, immer endgültiger die
Verzweiflung. Rausch und Irrsinn, bis schließlich die Musik implodiert
und man zitternd die Augen öffnet. Ein indianisches Beschwörungsritual
ist Kindergarten dagegen.
Kaum greifbar ist die Lyrik
Patti Smiths, sie ist reich an Bildern und farbigen Andeutungen. Die
Brücke, die Wahrnehmung und Interpretation verbindet, ist schmal. Einem
Strudel gleich ziehen die Worte einen beim Hören immer tiefer in ihren
Bann. Smith braucht keine perfekt ausgebildete Gesangsstimme, ihr stets
leicht schräger Singsang passt perfekt zur sich aufs Wesentliche
beschränkenden Begleitkapelle.
"Horses" ist Punk.
Der wirkungsmächtige Geburtsschrei einer Künstlerin, die Zeit ihres
Lebens nur äußerst selten Kompromisse eingehen sollte.
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